You may say I´m a dreamer
But I´m not the only one
I hope some day you´ll join us
And the world will be as one.

John Lennon

Donnerstag, 29. März 2012

Neuer Text - seit Monaten endlich mal was gutes!

Noch nicht fertig, aber ich mag ihn wirklich und schreibe auch schon länger dran, so das ich denke das man es präsentieren kann!


Das Medaillon des Buchhändlers
Von Jennifer Schalles

Der alte Buchladen am Ende der Straße in der meine Uni war, war seit Jahren mein Lieblingsaufenthaltsort. Meistens war ich jeden Nachmittag für ein oder zwei Stunden nach der Uni dort und stöberte durch die alten Regale. Der Laden war wundervoll, er ging über zwei Etagen und war mit einer alten, knarchende Treppe aus Holz verbunden. Ich liebte diese knarchendes Geräusch, welches die Treppen bei jedem meiner Schritte machten. Die beiden Räume des Buchladens waren rund und vom unteren Raum gingen noch zwei weitere Räume ab, diese hatte ich aber noch nie betreten. Die alten Tapeten, die hinter den großen Bücherregalen gerade noch zu sehen waren, hatten einen gelblichen-braunen Farbton und es wirkte so als wäre Jahrzehnte alter Zigarettendunst dran schuld. In der Mitte des Raumes standen vier große Ohrensessel mit kleinen Tischen, die dem Raum eine gemütliche und freundliche Note verliehen. Der Teppich unter den Füßen war verblichen und so dick, dass er jedes Geräusch von Schritten verschluckte. Wenn man den Laden betrat ertönte über einem eine Klingel,welche ankündigte das ein neuer Kunde den Laden betrat.

Ich stand gerade mal wieder vor dem Buchladen und starrte das grüne Schild über der schwarzen Tür mit der Aufschrift „Kleines Büchereck“ an, als eine dunkel gekleidete Gestalt aus dem Laden trat. So jemanden hatte ich noch nie gesehen, er war von oben bis unten in schwarz gekleidet, trug einen großen Hut und schien darauf bedacht nicht weiter aufzufallen. Er zog die Schultern ein und ging schnellen Schrittes von dannen. Aus irgendeinem Grund verursachte diese Gestalt mir Gänsehaut. Ich sah der Gestalt noch nach bis sie verschwunden war, dann beschloss ich die Gänsehaut abzuschütteln und betrat den Laden. Erschrocken blieb ich in der Tür stehen, die ganze untere Etage war verwüstet worden. Ganze Bücherregale waren umgeworfen worden, die Ohrensessel lagen umgestürzt auf der Seite, die Schubladen der Schränke lagen ausgekippt auf dem Boden. Percival Agnus, den Ladenbesitzer, konnte ich nirgendwo entdecken. Ich spürte einen Anfall von Angst in mir hochkommen. Was war hier passiert? Ich wollte nach ihm rufen, doch meine Angst schnürte mir die Kehle zu. Stattdessen befahl ich meinen gummiartigen Beinen sich in Bewegung zu setzen. Unter jedem Bücherregal, welches ich aufhob befürchte ich dass Percival darunter lag. Doch meine Angst war vorerst unbegründet, denn weder im Untergeschoss noch in der ersten Etage fand ich ihn. Zum Schluss blieben nur noch die beiden Räume übrig in denen ich noch nie gewesen war. Mein Herz klopfte wie wild, als ich meine Hand auf die Klinke der ersten Tür legte. Ich holte tief Luft und stieß die Tür fest auf und erwartete schon fast, dass die Wände voller Blut sein würden und dass Percival in dem Raum liegen würde. Doch zu meiner großen Überraschung war der Raum leer. Und ich meine wirklich leer. Kein Stuhl, kein Bücherregal, keine Bücher, kein Tisch, noch nicht einmal Bilder hingen an den Wänden oder ein Teppich war drin. Der Raum war einfach nur leer. Erstaunt sah ich mich im Raum um. Ich hatte so viel erwartet dass mich die Leere des Raumes schlicht und einfach sprachlos machte. Ich wandte meinen Blick vom Zimmer ab und wandte mich dem anderen Zimmer zu. Wie ich erst jetzt bemerkte, war die Tür einen Spalt breit offen. Ehe ich den Raum betrat, wusste ich dass Percival nur dort drin sein konnte. Dennoch schlug mein Herz mir derart heftig gegen meinen Brustkorb, dass zu befürchten war dass meine Rippen Schaden nehmen könnten. Ich hielt die Luft an und nahm meinen ganzen Mut zusammen, dann trat ich die Tür auf. Obwohl ich die Tür mit voller Wucht aufgetreten hatte, ging sie nicht ganz auf. Stattdessen  war ein leises blubberndes Stöhnen zu hören. Ich quetschte mich durch die Öffnung und schrie, als ich Percival auf dem Boden liegen sah. Er war von Blut überströmt, seine Augen waren dicken und geschwollen, seine Lippen und Augenbrauen waren aufgesprungen und bluteten stark. Er lag auf dem Rücken, seine Kleidung war an einigen Stellen zerrissen und sein linker Arm stand in einem ungewöhnlichen Winkel ab, genau wie sein rechtes Bein. Wenn ich sein Stöhnen nicht wahrgenommen hätte, hätte ich ihn für Tot gehalten. Ich stürzte zu ihm hin und legte ihm eine Hand auf den Arm und sprach: „ Percival? Hörst du mich?“ Meine Stimme war kaum mehr als ein leises Flüstern. Als Antwort gab Percival einen kehligen Laut von sich. Seine Augenlieder flattterten, öffneten sich aber nicht. Ich legte eine Hand auf seine Brust, um seinen Herzschlag zu spüren. Ich hatte Angst ihm weh zu tun und als er stöhnte, als ich ihn berührte zog ich sie schnell wieder weg. Sein Herz schlug, ohne Zweifel, denn noch hatte ich das Gefühl, dass sein Herz nicht richtig schlug. Es hatte den falschen Takt. Ich kramte in meiner Jackentasche nach meinem Handy und wählte den Notruf, hielt meine Hand aber weiterhin auf seiner Brust. Um ihn herum hatte sich eine große Blutlache gebildete, doch ich konnte nicht sehen wo das Blut seinen Ursprung hatte. Ich wurde nervös. Irgendetwas musste ich doch für ihn tun können. Aus der Nervosität wurde rasch das Gefühl von Hilfelosigkeit angesichts der Menge an Blut, die er verlor. Doch bewegen konnte ich ihn auf keinen Fall. Vielleicht waren seine Rippen gebrochen und würden sich bei Bewegung in seiner Organe bohren? Das wollte und konnte ich nicht riskieren. Ich saß eine gefühlte Ewigkeit da, hörte seinem Atem zu und spürte den Schlag des stolpernden Herzens. Als ich die Sirene des Rettungswagens hörte., bewegte ich mich zu Percival und sagte: „ Ich komme gleich wieder. Warte auf mich!“ Dann erhob ich mich und rannte nach draußen um den Sanitätern den Weg zu Percival zu zeigen. Die beiden Sanitäter sahen schockiert aus, als sie den Laden betraten. „ Wo müssen wir den hin, Fräulein?“, fragte der ältere Sanitäter. Ich zeigte ihnen den Weg zu dem kleinen Raum. Die Sanitäter machten sich sofort ans Werk und verarzteten ihn. Ich ließ mich auf einen Hocker in der Nähe nieder und sah teilnahmslos zu, wie die Sanitäter arbeiteten. Ich konnte den Blick nicht von dem Körper von Percival abwenden und merkte nicht wie ich anfing zu weinen. Die Tränen strömten einfach über mein Gesicht. „Fahren Sie mit ins Krankenhaus?“, fragte mich der junge Sanitäter mit sanfter Stimme und legte mir einen Arm um die Schulter. Ich erschrack bei seiner Berührung, weil ich nicht drauf vorbeireitet war. Ich blickte auf und sah in seine braunen Augen. Sie hatten etwas beruhigendes. Ich konnte nicht antworten und nickte einfach.

Im Krankenhaus wurde ich sanft ins Wartezimmer geschoben. Mir machte es nichts aus, ich nahm die Welt kaum wahr. Mein Gehirn schien wie im Schock: Reduziert auf die wichtigsten Funktionen. Ich muss eingeschlafen sein, denn Stunden später weckte mich der behandelte Arzt. Mein Kopf lag auf meiner Brust und ich schreckte hoch. Der Arzt hatte braune Augen, eine lange Nase und feine Narben auf den Wangen. Er hatte als Kind bestimmt furchtbare Akne gehabt. Er setzte ein freundliches Lächeln, aber seine Augen lächelten nicht mit. „ Haben sie Herrn Agnus ins Krankenhaus begleitet?“, fragte er mich. Ich nickte nur, jede Faser meines Körpers war angespannt. „Wir haben ihn operiert. Im Moment ist er stabil, aber wir müssen die Nacht abwarten. Gibt es irgendwelche Verwandte oder Freunde die wir benachrichtigen müssen?“, fragte der Arzt und hatte sich vor mich gehockt um auf Augenhöhe zu sein. „N-N-Nein nicht das ich w-w-wüsste“, stotterte ich. Der Arzt zog die Stirn zusammen und entspannte sie fast sofort wieder. Er dachte wohl darüber nach wie er jetzt Angehörige finden könnte. „In Ordnung. Möchten sie jetzt zu Herrn Agnus?“, fuhr der Arzt freundlich fort. Ich nickte und erhob mich, meine Beine fühlten sich wie Gummi an. Jeder Schritt war wackelig. Der Arzt führte mich einen langen Flur entlang. Das Zimmer in dem Percival befand ich am Ende des Flures auf der linken Seite. Ich betrat das Zimmer, es lag im halb dunkel, die Vorhänge waren zugezogen worden. Percival lag in einem Bett am Fenster, das andere Bett war leer. Um das Bett herum standen mehre große Geräte, welche piependen Geräusche von sich gaben. Schläuche führten zum Bett und zum Körper von Percival, welcher flach auf dem Bett lag. Sein Gesicht war weiß, fast so weiß wie die Bettdecke, die ihm bis zur Brust reichte. Seine Brust hob und senkte sich leicht. Er wurde von einem großen Schlauch im Hals beatmet. In seinem Armen hingen jeweils zwei Schläuche, unter der Bettdecke liefen auch zwei Schläuche entlang. Er wirkte so zerbrechlich, ich hatte Angst ihn zu berühren. Ich stellte mich neben sein Bett, der Arzt öffnete die Vorhänge und ließ Tageslicht herein.  Ich war geschockt, noch nie hatte ich einen so schwer Verletzten Menschen gesehen. Um seinen Kopf war ein Verband gewickelt worden, welcher an mehreren Stellen mit Blut verschmiert war. Pflaster bedeckten Teile seines Gesichtes und Teile der Arme. „ Unsere Besuchszeit gilt noch zwei Stunden lang“, erklärte mir der Arzt und ging leise aus dem Zimmer. Ich ließ mich auf den Stuhl neben dem Bett fallen, ich konnte nicht glauben was passiert war, dass ich hier war. Ohne das ich es wollte stiegen mir die Tränen in die Augen, ich blinzelte mehrfach, doch die Tränen brauchen heraus und brannten auf meinen Wangen.  Die Tränen strömten ungehindert und ich wollte sie auch nicht stoppen oder verbergen. Das hier war wirklich schlimm! Es gab einen Grund zu weinen, als warum denn auch nicht? Ich begann zu schluchzen. Keine Ahnung wie lange ich weinend auf dem Stuhl neben dem Bett saß mit dem Gesicht in den Händen, doch ich wurde von einem lauten Piepen hoch schrecken ließ. Als ich aufsah konnte ich sehen, dass eins der großen Geräte zu piepen und zu blinken begonnen hatte. Eine Mischung aus Panik und Angst stieg in mir hoch, mir wurde übel und ich fing an zu zittern. Ich rannte zur Tür und schrie in den Flur: „ HILFE! ICH BRAUCHE HILFE!!“ Eine Schwester kam aus dem Schwesternzimmer am anderen Ende des Flurs gerannt, sie sah den Flur auf und ab bis sie mich sah und auf mich zu gerannt kam. „Was ist los?“, fragte sie mich. „D-D-Die M-M-Maschinen!“, stieß ich hervor. Die Schwester stürzte in das Zimmer hinter mir, drückte den Notfallknopf und schob mich wieder aus dem Zimmer. Vom anderen Ende des Flurs kamen zwei Pfleger mit einem Notfallwagen angerannt. Mir wurde das Herz schwer, ich ließ mich an der Wand entlang auf den Boden sinken und begrub mein Gesicht in den Händen.

Die Ärzte hatten die Tür geschlossen, als sie hinein gerannt waren. Es dauert fast eine Stunde bis sich die Tür wieder öffnete, doch mir kam es viel länger vor. Erst fuhren die Pfleger den Notfallwagen heraus, dann kam der Arzt, mit dem ich schon am Anfang gesprochen hatte. Auf seiner Stirn glitzerten Schweißtropfen und seine Gesicht war ernst. Ich stand auf und sah in hoffnungsvoll an. Doch er schüttelte kaum merklich den Kopf. „Es tut mir leid, aber wir haben alles versucht was in unsere Macht stand um ihn zu retten. Doch sein Herz war nicht stark genug. Es tut mir wirklich leid“,sagte er leise und mit weicher Stimme. Er redete in etwa so mit mir , als wäre ich ein kleines Kind. Mein Herz wurde schwer, ein Loch tat sich in meiner Brust auf und ein unglaublicher Schmerz durchfuhr meinen ganzen Körper. Tränen schossen aus meinen Augen, meine Hände und Beine begannen zu zittern. Mir wurde schlecht und ich übergab mich vor dem Arzt. Dann wurde mir schwarz vor Augen und ich versuchte noch mich festzuhalten, doch es gelang mir nicht. Ich verlor das Bewusstsein ganz, noch bevor ich auf dem Boden aufschlug.

Ich spürte etwas weiches unter meinem Hinterkopf. Das war das erste was ich spürte. Dann bemerkte ich, dass auch der Rest meines Körpers auf etwas weichem lang, auch wenn es nicht ganz so weich wie das war was unter meinem Hinterkopf lag. Auf meiner Brust lag etwas, etwas weiches, dass nach Krankenhaus roch. Dieser typisch Geruch nach Desinfektionsmittel. Zuerst wusste ich nicht mehr wo ich war, oder warum ich lag. Mein letzte Erinnerung reicht zurück, dass ich vor dem Buchladen stand. Doch schneller als es mir lieb war, kehrte die Erinnerung zurück. Mit einem Schlag liefen die letzten Stunden noch einmal in meinem Kopf ab und dann traf mich diese Trauer wieder mit voller Wucht. Die Trauer fühlte sich nach wie vor an, wie eine Loch, welches in meiner Brust langsam und schreiend größer wurde. Ich hoffte der Schmerz würde vergehen, wenn ich die Augen einfach nicht öffnete und weiterhin ruhig atmete. Doch leider hatte meine Technik keinen Erfolg. Trotz geschlossener Augen spürte ich wie die Tränenflüssigkeit unter meinen Lidern anschwoll. Der Druck stieg an und ohne das ich es aufhalten konnte brachen die Tränen durch die Lieder. Die Tränen waren heiß und brannten auf meinen Wangen. Ich schlug die Augen auf, musste sie aber sofort wieder schließen. Das Sonnenlicht brannte in meinen Augen, so sehr das sich zu den Tränen der Trauer nun Tränen des Schmerzes mischten. „Chloe?“, hörte ich eine vertraute Stimme meinen Namen sagen. Doch ich konnte die Stimme nicht zuordnen, eine Frau aber war es auf jeden Fall. Ich öffnete mein rechtes Auge einen Spalt breit und hoffte, dass ich so doch etwas sehen konnte. Und tatsächlich funktionierte es und ich konnte zwei Personen an meinem Bett stehen sehen. Die eine etwas größere Person stand zu meiner linken und beugte sich über mich. Genauso wie die kleinere, dicker Person zu meiner linken. „Chloe? Bist du wach?“, hörte ich nun einen Mann sagen. Eindeutig die Person zu meiner rechten. Und dann wurde mir bewusst, dass die beiden schattenhaften Personen meine beste Freundin Lily und mein Vater waren. Ich stöhnte als Zeichen, dass ich meinen Vater verstanden hatte. „Kannst du sprechen?“, fragte Lily. Gute Frage. Versucht hatte ich es noch nicht. Konnte Trauer die Stimme beeinflussen? Konnte es sein das man das Sprechen verlernte, weil die Trauer im Innern einem einfach die Luft zum sprechen abschnürte? Ich räusperte mich, dann sagte ich: „Ja, doch scheint noch zu klappen.“ Ich hörte wie mein Vater schmunzelte. Um besser sehen zu können blinzelte ich noch ein paar mal. Sofort konnte ich meine Freundin und meinen Vater erkennen. Beiden sahen müde aus, aber glücklich. Hatten sie sich Sorgen um mich gemacht? Möglich. „Oh man du machst wirklich Sachen!“, stieß mein Vater hervor. „Wieso das denn?“, antwortete ich leicht verwirrt. „Niemand den ich kenne möchte in eine Buchhandlung gehen und landet dabei im Krankenhaus!“, sagte er mit einer Mischung aus Belustigung und Entrüstung. Ich zuckte mir den Achseln. „Ausgesucht habe ich mir das sicher nicht“, antwortete ich pikiert. Er nahm mich in den Arm. „War nicht so gemeint, Mäuschen“,ruderte mein Vater zurück. Ich lächelte ihn an, wollte ihm damit zu verstehen gehen das es einfach okay ist. „Ich geh mir mal kurz einen Kaffee holen, ihr beiden“, verabschiedete sich mein Vater und ging zur Tür. Sofort setzte Lily sich auf mein Bett und fragte: „Was zur Hölle ist passiert?“ Wieder eine gute Frage. „Da fragst du mich zu viel.  Ich weiß nur, dass ich in den Laden kam und alles verwüstet war. Ich hab nach Percival gesucht... und … nunja...“, antwortete ich und musste mitten im Satz aufhören. Ich konnte nicht das aussprechen was passiert war. Noch nicht. Vielleicht aber auch niemals. „Du hast niemanden gesehen? Nichts gehört?“, fragte sie schockiert. „Nein, nicht das ich mich erinnere.“ Ich richtete mich im Bett auf und spürte plötzlich das mir schwindelig wurde. „Ah nicht aufstehen! Das darfst du nicht meinten die Ärzte!“ Ich sank zurück in das Kissen und spürte ohne Vorwarnung einen starken Schmerz am Hinterkopf. „Du bist , als du ohnmächtig geworden bist, mit dem Hinterkopf gegen die Wand geschlagen. Jetzt hast du dort eine ziemlich große Platzwunde und eine Gehirnerschütterung. Deswegen musst du jetzt erstmal ein bisschen im Bettchen bleiben“, sagte sie und es war nicht zu überhören, dass sie schon ein bisschen Schadenfroh war. Vermutlich nicht aus dem Grund meiner Ohnmacht sondern viel mehr weil ich überhaupt in Ohnmacht gefallen war. „Die Polizei möchte die verhören. Sie wollten warten bis zu wach bist. Aber wenn du noch nicht willst dann sag ich es ihnen“, bot Lily an. „Ach was das muss nicht sein“,gab ich zurück. Klar konnte ich mir besser vorstellen, als nach diesem Nachmittag noch fragen der Polizei zu beantworten, aber irgendwann musste ich es schließlich hinten mich bringen. Je frischer desto besser waren die Erinnerungen doch? Das hatte ich zu mindestens mal gehört. „Bist du dir sicher?“ Lily klang überrascht. Mit dieser Antwort hatte sie wohl nicht gerechnet. „Natürlich. Kannst sie ruhig schon rein holen“, gab ich zurück. Sie stand auf und hing zu Tür. Sie kam mit zwei jungen Beamten im Schlepptau wieder herein. Beide Beamte trugen die neuen schwarzen Uniformen, die dazu passenden Mützen hatte sie beim betreten des Raumes abgenommen. Der eine war etwas kleiner, hatte blonde Haare und grüne Augen. Der andere war größer, etwas dicker und hatte dunkel braune Haare – ohne das Sonnenlicht sahen sie wohl eher schwarz aus. Beide setzten zur Begrüßung ein Lächeln auf. „Guten Abend“, sagt der kleinere mit einer unerwartet tiefen und rauen Stimme. Ich kam mir komisch vor in Gegenwart von Fremden im Bett liegen zu beiden, aber eine andere Wahl hatte ich wohl nicht. „Hallo“, sagte ich und klang schwacher als ich erwartet hatte. „Es tut uns wirklich leid sie stören zu müssen, aber es ist wirklich wichtig dass wir so schnell es geht mir den Ermittlungen beginnen. Ich hoffe sie haben dafür Verständnis“, ratterte der größere los. Es klang, als wären es auswendig gelernte Standartsätze. Und natürlich konnte ich mir etwas besseres vorstellen, als mit pochendem Hinterkopf Fragen von zwei vollkommen Fremden zu beantworten. Wobei mir auffiel, dass keiner der beiden sich namentlich hatte vorgestellt. Ah, so schnell musste also eine Mordermittlung laufen. Doch statt diese Punkte zu bemerkten, gab ich eine neutrale Antwort: „ Nein gar kein Problem. Wie ich Ihnen den helfen?“
„Wir würden gerne wissen ob Ihnen etwas merkwürdiges im Buchladen aufgefallen ist?“
„Mh, naja. Ich weiß nicht ob es wirklich von Bedeutung ist“
„Es kann alles von Bedeutung sein. Auch wenn es nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist“, sagte der jüngere.
„Bevor ich in den Laden betrat kam eine dunkel gekleidete Gestalt aus dem Laden. Ich konnte nicht wirklich viel erkennen. Aber er sah aus als würde er nicht gerne gesehen oder beachtet werden.“
Sofort zückte der jüngere von beiden ein Notizblock und notierte hastig mit krackeliger Schrift ein paar Stichpunkte. „Könnten sie diese Person näher beschreiben?“
„Eigentlich nicht. Er war halt schwarz gekleidet. Hatte schwarze Haare. Aber mehr kann ich ihnen nicht sagen.“
„Würden sie es wagen Figur oder Größer zu schätzen?“
„Ich würde sagen, so groß wie ich , also 171cm und Gewicht war normal. Also nicht zu dick oder zu dünn. Dick angezogen war er aber nicht“,sagte ich und musste verstellen das eh mehr ich mich versucht an ihn zu erinnern, desto mehr vergass ich wie er aussah. In diesen Moment kam der Arzt durch die Tür. „Es tut mir leid, aber sie braucht jetzt ruhe“, sagte er und nickte in meiner Richtung. Dann verschwand er aus dem Zimmer. „In Ordnung. Wir werden, wenn wir es benötigen auf sie zurückkommen“, sagte der ältere und wandte sich zu Tür. Der jüngere lächelte mich an und sagte: „Gute Besserung“ , dann verließ er das Zimmer hinter seinem Kollegen.
Jetzt wo niemand mehr im Raum war und ich das Gefühl hatte zum ersten mal seit Tagen allein zu sein, hatten meine Gefühle Zeit an die Oberfläche zu brechen. Und sie waren dabei nicht gerade zurückhaltend. Das Loch in meiner Brust, dass ich schon seit der Todesnachricht verspürte hatte, schien gewachsen zu sein. Ein dicker Klose bildete sich in meinem Hals. Meine Hände begannen heftiger zu zittern als zuvor, meinen Magen rebellierte. Ich musste mich über den Rand des Bettes beugen um den magensäurehaltigen Inhalt nicht in mein Bett zu ergießen. Die Magensäure reizte meine Speiseröhre. Die Tränen quollen aus meine Augen, sie hinterließen brennende Spuren auf meinen Wangen. Es klopfte an meiner Tür, schnell zog ich mir die Decke über den Kopf und fing heftig an zu schluchzen. Die Person, welche reingekommen war, legte den Arm und meine von der Decke verdeckte selbst und drückte mich an sich. Es war mein Vater, das erkannte ich am Duft. Er sagte kein Wort, dafür hielt er mich an in den Armen und wog mich hin und her. Der Rest des Tages verschwand in meiner Erinnerungen in einem Nebel aus Tränen und Verzweiflung.





Am nächsten Tag
Ich erwachte früh. Das Sonnenlicht brach gerade eben durch die dicken Vorhänge des Krankenzimmers. Ich war alleine. Meine Vater konnte ich überreden nach Hause zu fahren, eine Nacht würde ich schon alleine überstehen. Lily hat da weniger Probleme damit zu gehen. Ich würde sagen, dass liegt daran das sie Krankenhäuser noch nie leiden konnte. Kein Wunder, wenn man 3 Jahre fast ununterbrochen im Krankenhaus lag. Damals, kurz nachdem wir zusammen in die Grundschule gekommen waren, wurde sie ins Krankenhaus gebracht. Ihre Leber hat versagt und weil es schon wirklich ernst war wurde ich da behalten, solange ein neues Organ zu Verfügung war. Das dauert drei Jahre. Seitdem mied sie Krankenhäuser. Und Ärzte. Meine Augen brannte noch. Ich hatte die Nacht über so viel geweint, dass meine Augen nicht nur brannten, sondern auch dick waren. Ich stand auf und schwankte im ersten Moment. Erschrocken hielt ich mich an meinem Bett fest. Auf dem kurzen Weg zur Toilette musste ich noch dreimal anhalten, so schwindlig wurde mir. Meine Füße schlurften über den eiskalten Boden. Richtig heben konnte ich sie nicht. Als ich wieder im Bett lag, war ich heil froh das sich meine Welt nun nicht mehr plötzlich unter meinen Füßen bewegte. Ich rollte mich auf die Seite, lag in Embyostellung da und blickte hinaus auf die grünen Blätter des Baumes vor meinem Fenster. Wie lange ich so lang, kann ich heute nicht mehr sagen. Doch der Stand der hereinschneienden Sonne wanderte und so musste einige Zeit verstrichen sein, als es überraschend an der Tür klopfte. Erschrocken fuhr ich zusammen, drehte mich aber nicht um, als der Besuch ohne eine Reaktion meinerseits das Zimmer betrat. Es waren schwere Schritte, im Doppelpack die den Raum schnell durchschritten. Mühevoll drehte ich mich um, jede Zelle meines Körpers tat weh, so als hätte ich Muskelkater. Ich erblickte die beiden Polizisten von gestern am Fußende meines Bettes. Meine Laune, die bis dahin nicht zu definiert war, wurde (und man kann es nicht anders sagen) schlecht. Ich stöhnte auf. Noch mal eine Befragung.
„Es tut uns leid, dass wir Sie wieder stören müssen. Aber es haben sich neue Umstände ergeben“, sprach der ältere der beiden. Er klang dabei geschwollen, so als würde er sich für etwas besseres halten, als wäre er wichtiger als ich. „In der Wohnung des Toten wurde ein Brief gefunden. Er ist an sie adressiert. Dazu ein Medaillon“, erklärte der jüngere und sprach dabei mehr mit mir als Menschen als der andere. Er gab mir einen kleinen Umschlag, er war verblichen, die Schrift darauf säuberlich und elegant. Ich erkannte sie sofort als die Schrift von Percival. Ich legte das Medaillon schnell auf den Nachttisch. Es war mir zu wieder es in der Hand zu halten. Ich konnte ihn nicht länger in der Hand halten, der Gedanke das Percival diese Papier berührt hatte durch fuhr mich wie ein Schlag und im selben Augenblick wollte ich ihn nicht mehr in der Hand behalten. Selbiges galt für das Medaillon. Die beiden Polizisten sahen sich verwundert an, offenbar hatten sie auf mein Neugierde gesetzt um noch ein paar Information zu bekommen. „Können sie sich erklären was diese Medaillon zu bedeuten hat?“, fragte der ältere gerade heraus. „Nein. Ich hab keine Ahnung. Aber vermutlich ist es nicht mehr als ein Andenken an ihn. Er hat oft von seinem eigen Tod und seinen Vorstellungen erzählt“, sagte ich und war überrascht wie einfach ich die beiden Polizisten anlügen konnte. Niemals hatte ich mit Percival auch nur im Ansatz ein Thema wie seinen eigenen Tod besprochen. Doch auch ich konnte mir diese Geschenk nicht erklären. Und eine Lüge wie diese  würde mich sicher vor einem langen Gespräch mit der Polizei retten – dachte ich zumindest. Aber leider weckte genau diese Aussage das Interesse der beiden. „Er sprach über seinen Tod? Würden Sie uns das bitte erläutern?“, bat mich der junge Polizist. „Nunja... es war nicht wirklich Weltbewegend. Er meinte ein paar Mal er möchte mir etwas vererben, weil wir so gute Freunde wären und das er in seiner Heimatstadt begraben werden möchte. Außerdem meinte er das Verbrennen die bessere Beerdigungsvariante sein“, log ich schnell zusammen und war froh dass ich nicht rot wurde. Meistens wurde ich rot, wenn ich jemanden anlog.

Doch jetzt ,wo die meiste Kraft fürs weinen verbraucht wurde, konnte ich noch nicht einmal rot werden.  „Fühlt er sich jemals verfolgt in ihre Gegenwart?“
„Nein, ich denke nicht. Warum sollte er denn auch?“
„Es wird davon ausgegangen, dass sein Mörder schon länger hinter ihm her gewesen ist.“
„Sie meinen so eine Art Stalker?“
Der jüngere nickte: „Genau das ist anzunehmen.“
„Und ihre Beobachtung verstärkt unseren Verdacht nur noch.“
„Welche Beobachtung?“, fragte ich erstaunt. „Die Rede ist von der Beobachtung, welche sie vor dem Geschäft „Büchereck“ gemacht haben“, antwortete der ältere Polizist und zog dabei die leicht ergrauten Augenbrauen zusammen. Ihm schien es wohl seltsam, dass ich mich nicht an meine eigene Beobachtung erinnern konnte. Jetzt aber da er meinem erlahmten Gehirn auf die Sprünge geholfen hatte, wusste ich wieder was er meinte. Die schwarze Gestalt vor dem Laden! Wie konnte ich die vergessen?
„Haben Sie den bereits irgendeinen Hinweise wer diese Person ist?“, erkundigte ich mich. Der jüngere Polizist schüttelte den Kopf und sagte: „Nein leider noch nicht. Wir suchen noch nach weitere Zeugen. Unsere Täterbeschreibung ist noch ziemlich dürftig.“ Das hatte ich nicht anders erwartet. Jeder konnte der Täter sein und jeder wiederum nicht. Eine Gestalt, vermutlich männlich in schwarz. Das ist wirklich nicht sehr viel.

[to be continue]